Inputreferat über Suchtprävention
Das Thema des rund 1.5-stündigen Referats am Dienstagabend, 23. September 2025, sind sowohl Substanzsüchte wie auch Verhaltenssüchte. Dabei sei es – gemäss Gianni Tiloca, Fachmitarbeiter Prävention der Stadt Winterthur – gar nicht so einfach, an Daten von Personen zu kommen, die dem Alter der BMSW-Lernenden entsprechen. Die meisten Studien berücksichtigten entweder 11- bis 15-jährige Personen oder Menschen zwischen 15 und 30 Jahren.
Alarmierende Studienergebnisse
Dennoch ist es ihm gelungen, verschiedene Studienergebnisse zu finden, die zielgruppenspezifische Einblicke in das potentielle Konsumverhalten von Lernenden geben: In der HBSC-Studie aus dem Jahr 2022 beispielsweise haben dabei 75 Prozent der 15-Jährigen angegeben, mindestens eine Konsumerfahrung mit einer psychotropischen Substanz gemacht zu haben. Dazu zählt auch das Nikotin. Am stärksten gestiegen ist der Nikotinkonsum von Vapes und Snooze, der sich bei Mädchen zwischen 2018 und 2022 ungefähr verdoppelt hat. Nebst diesem Anstieg des Tabakkonsums, der in den Jahren zuvor gesunken gewesen war, ist auch der Konsum von Alkohol seit 2018 – insbesondere bei Mädchen – wieder gestiegen (HBSC-Studie, 2022).

Gianni Tiloca präsentiert die Ergebnisse von weiteren Studien: Zum Beispiel haben 10.8% der zwanzigjährigen Zürcherinnen und Zürcher eine Konsumerfahrung mit Kokain (Stichprobe 1200, nachgewiesen mittels Haarprobe), 12% mit Codein und rund 12% mit Ecstasy. Dabei haben 23% der 24-jährigen angegeben, in den letzten 3 Monaten Kokain konsumiert zu haben, ein Fünftel davon wöchentlich (Uni Zürich, Prof. Dr. Boris B. Quednow).
Diese Zahlen geben Anlass zur Sorge und lassen hellhörig werden. Welche Massnahmen sind notwendig? Insbesondere weil ohnehin alle wissen, dass der Konsum von Substanzen – gerade bei jungen Menschen – sehr schädlich ist.
Gianni empfiehlt, exzessiven oder häufigen Substanzkonsum nicht isoliert zu betrachten, sondern immer auch als Zeichen für mögliche andere Probleme zu sehen. In der Regel verwenden Jugendlichen Tabak, Alkohol oder Cannabis als Hilfsmittel zur Lebensgestaltung oder Lebensbewältigung, wobei zweiteres die deutlich riskantere Verwendung darstelle. Über sämtlichen Verhaltensweisen steht die Psychische Gesundheit, die negativ beeinflusst wird durch regelmässigen Substanzkonsum und diese vice versa beeinträchtigt. Was zuerst da war, bleibt oft im Dunkeln.
Trotz dieser alarmierenden Zahlen, gibt Gianni zu bedenken, melden sich kaum mehr Erziehungsberechtigte für Elternabende zu Substanzkonsum in der Stadt Winterthur an – dafür viele zu Verhaltenssüchte.
Ein durchschnittlicher Telefonbesitzer schaut 150mal pro Tag aufs Handy, im Jahr 2022 verbringen Jugendliche pro Tag 3h 46 Minuten am Gerät (JAMES-Studie, 2022) – das sind 57 Tage pro Jahr. Auch das riskante Glücksspielverhalten ist von 2023 und 2024 um 23% gestiegen, dies zeigen durch Online-Casinos ausgesprochenen Spielsperren (Quelle: Suchtschweiz, ESBK), genauso wie das problematische Kaufverhalten, von welchem die Altersgruppe zwischen 15 und 24 Jahren am stärksten betroffen ist. Der Unterschied zwischen Männern und Frauen hat sich dabei in den letzten Jahren nivelliert (MonAM BAG, 2022).
Doch wo verläuft die Grenze zwischen Konsum und Sucht? Die WHO ICD-10 beschreibt folgende typische Symptome für eine Abhängigkeit:
- Anhaltender starker Wunsch oder eine Art Zwang, das Suchtmittel zu konsumieren
- Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich Beginn, Beendigung oder Menge des Konsums
- Entzugssymptome bei Abstinenz oder Reduktion des Konsums
- Toleranzentwicklung gegenüber physiologischen Auswirkungen des Suchtmittelkonsums (Erhöhung des Konsums)
- Fortschreitende Vernachlässigung anderer Tätigkeiten zugunsten des Suchtmittelkonsums
- Fortsetzung des Konsums trotz des Nachweises (auch) gesundheiticher (Folge-)schäden
Haben drei dieser Kriterien über 12 Monate Bestand, so kann der Konsum als Suchterkrankung bezeichnet werden.
Signale wahrnehmen und adressieren
Was können nun Bezugspersonen wie Erziehungsberechtigte, BerufsbildnerInnen oder Lehrpersonen tun, wenn negative Suchtentwicklungen festgestellt werden? Gianni empfiehlt, weder «die Augen vor Tatsachen zu verschliessen», noch «mit Kanonen auf Spatzen zu schiessen». Wenn Bezugspersonen oder auch Peers merken, dass sich Betroffene zurückziehen, Kontakte meiden oder die Leistung nachlässt, sollten sie die Beobachtung ansprechen. Bevor man gegenüber den Jugendlichen mit einer Ich-Botschaft auftritt, könnte man die wahrgenommenen Signale auch mit einer weiteren Vertrauensperson reflektieren. Die genannten Symptome sprechen nicht zwingend für einen Konsum, aber können! Und das Wichtigste: Die Jugendlichen bei Veränderungsabsichten zu unterstützen und den «Beziehungsfaden» aufrecht zu erhalten, wie Tiloca das nennt.
Den Grundstein dafür legt Tiloca an diesem Abend, indem er uns Lehrpersonen an vieles erinnert, das wir zwar vielleicht schon wussten, das aber so in seiner Aktualität und Anwendung im schulischen und persönlichen Alltag oft untergeht. Danke!
ReLi
Winterthur, 23. September 2025