Knifflige Korpusarbeit

Die Fachschaft Geschichte ist in einem längeren Projekt damit beschäftigt, ein Korpus mit historischen Originalquellen aufzubauen und zu didaktisieren. Die Quellen sollen in Zukunft entsprechend im Unterricht verwendet werden können.

Neben Münzen, einer Flagge, einer Keksdose, einer auf Währungsbriefmarken gedruckten Zeitung aus der Zeit der Russischen Revolution oder einem Schweizer Kriegskochbuch gehören u.a. auch deutsche Feldpostbriefe aus dem Ersten Weltkrieg zum breit gefächerten Korpus.

Das Konvolut an Briefen ist insofern ein eher seltener Glücksfall, als dass die Briefe unzensiert Eindrücke von der Front respektive deren Verarbeitung bei den Verfassern dokumentieren.

 

Abbildung 1: Frontbrief, datiert vom 28.1.15., verfasst in Biaches (F)

 

Viele der Briefe sind in sogenannter Sütterlinschrift geschrieben, einer Kurrentschrift, die heute nicht mehr im Gebrauch und entsprechend mühevoll zu entziffern ist. Unter Einsatz der KI Transkribus, welche speziell auf das Transkribieren von alten Handschriften trainiert ist, gelang es verhältnismässig einfach, die Briefe in einem ersten Schritt grob zu transkribieren. In einem nächsten Schritt gilt es nun, die Briefe zu redigieren. Unverhoffte Hilfe kommt hier von Seiten der Fachschaft Mathematik: Ein Mathelehrer beherrscht die Sütterlinschrift schreibend sowie lesend und konnte bei verbleibenden Unsicherheiten bereits tatkräftig mithelfen, die Briefe weiter zu transkribieren.

 

Abbildung 2: Transkription mit Hilfe der KI Transkribus

 

Die insgesamt sieben Feldpostbriefe aus dem Ersten Weltkrieg zeigen ein Bild von Soldaten, die zwischen traumatisierendem Kampf, Überlebenswillen, Verzweiflung und Sehnsucht hin- und hergerissen sind. Trotz unterschiedlichen Datierungen, Verfassern und Einsatzorten der Verfasser tauchen in mehreren Briefen ähnliche Themen auf.

Zentrale Themen
  • Die physische und psychische Verfassung („ich bin noch gesund“, „mein Bruder ist verwundet, aber erholt sich“)
  • die schlechte Versorgungslage
  • konkrete, brutale Kampf- und Todeserfahrungen an der Front („man soll gar nicht glauben, daß man heutzutage mit solchen Geschützen noch so nahe aneinander kommt […] zu einem Handgemenge, wo nichts wie zugestochen und geschnitten wird, gleich mit Spaten und Beibückl wird zugeschlagen, einfach schauerlich“, „Blut floss 30 cm hoch“)
  • die emotionale Bindung an Heimat und Familie in Form von Ausdruck von Liebe, Dankbarkeit und Sehnsucht („Zum kommenden Namensfest sende ich Ihnen die besten Glückwünsche aus der weiten Ferne, von Frankreichs Gauen, die uns infolge des schrecklichen Krieges fern halten von den Lieben in der Heimat.“
  • religiöse Elemente wie Verweise auf Gott, Gebete, christliche Feiertage (Weihnachten, Neujahr), Bitte um göttlichen Schutz („Es braucht wohl keiner zu sorgen für den nächsten Tag, wir dürfen alle Gott im Himmel danken, wenn uns der heutige zu überleben beschieden ist.“)
  • Kritik / Resignation gegenüber dem Krieg, so betonen viele Briefe die Sinnlosigkeit des Kampfes („das ist nämlich kein Krieg mehr, sondern das ist die reinste Feldschlächterei “, „wie es jetzt immer zugeht, das ist nicht mehr menschlich, es ist oft, als wenn die Höll losgelassen wär.”) und appellieren an ein baldiges Kriegsende, erwähnen den Wunsch nach Frieden und Normalität.

Die Briefe erinnern teilweise inhaltlich frappant an bekannte Szenen aus Remarques «Im Westen nichts Neues».

 

Abbildung 3: Spannende Enträtselungsarbeit: Was steht da?

 

Die individuellen Einblicke in die Fronterfahrung deutscher Soldaten werden es im Geschichtsunterricht ermöglichen, aus den persönlichen Zeugnissen ein ungefähres Bild des Alltags und der Gefühlswelt der Frontsoldaten im Ersten Weltkrieg zu rekonstruieren und einen konkreten, emotionalen Zugang dazu zu finden.

 

WäFa

Winterthur, 5. November 2025

Zurück zur Newsübersicht

Cookie Hinweis
Unsere Website verwendet Cookies. Neben den für die Funktionalität notwendigen Cookies, auch welche für Tracking-Zwecke
(Google Analytics). Bitte beachten Sie unsere Datenschutzerklärung.